In Deutschland sind in den vergangenen Tagen Tausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die israelische Bombardierung des Gazastreifens zu protestieren. Es führte auch zu antisemitischen Gesängen und Vandalismus. Jüdische Gebäude und Institutionen sind in verschiedenen Staaten besonders gut bewacht.
Die Stadt Gelsenkirchen im Ruhrgebiet war am Donnerstag den ganzen Tag über Thema Nummer eins auf Twitter. Das liegt an einem Video, das in der Nacht zuvor gedreht wurde und Hunderte von Demonstranten, hauptsächlich junge Männer und Frauen, mit palästinensischen und türkischen Flaggen zeigt. Sie singen, deutlich hörbar, „scheiss Jude, scheiss Jude“, Deutsch für “ Scheiß Jude, Scheiß Jude.“’
In Bremen, wo am Dienstagabend mehr als 1.500 Menschen auf die Straße gingen, wurden israelische Flaggen verbrannt. In Bonn wurde die Synagoge mit Steinen beworfen. Auch in Berlin verzeichnete die Polizei mehrere „antiisraelische und antisemitische“ Vorfälle.
Dass Unruhen in Israel Konsequenzen in Deutschland haben, ist nicht neu. Auch während der israelischen Bombardierung von Gaza im Sommer 2014 und bei kleineren Gewaltausbrüchen danach gingen die Menschen auf die Straße, um ihre Unterstützung für die palästinensische Bevölkerung auszudrücken. Schon damals gab es antisemitische Vorfälle.
„Es ist nicht akzeptabel, dass die jüdischen Gläubigen in Deutschland auf Ereignisse im Nahen Osten aufmerksam gemacht werden“, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am Donnerstag. Anfang der Woche hatte Maas „beide Seiten“ zur Mäßigung der Gewalt aufgerufen. Der deutsche Minister wurde dafür von verschiedenen israelischen Politikern und von rechten deutschen Zeitungen Bild und Die Welt scharf kritisiert. Ihnen zufolge hätte Maas zunächst betonen müssen, dass Israel das Recht habe, sich zu verteidigen. Der Minister tat dies danach. Bedingungslose Solidarität mit dem Staat Israel ist eine Konstante in der deutschen Nachkriegspolitik, die einige linke und islamische Deutsche als Verrat an der palästinensischen Sache verstehen.
In Deutschland nimmt die Zahl der antisemitischen (Gewalt -) Vorfälle wie in den meisten europäischen Ländern seit Jahren zu. Die Parolen in Gelsenkirchen führten vor allem deshalb zu Empörung, weil die Polizei nicht eingreifen konnte und die Demonstranten zwei Stunden weitergehen ließ, während offener Antisemitismus nach deutschem Recht strafbar ist. Laut Polizeibericht war nur von „antiisraelischen Gefühlen“ die Rede. Die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen untersucht unterdessen intern, ob es zu Urteilsfehlern gekommen ist.
Der Autor: Julian Schulte
Student an der Fakultät für Philologie an der Universität Berlin. Beschreibt die Ereignisse in Ihrer Stadt und im ganzen Land.