Home Politik Perfekte Feinde und beste Freunde: die Komplexität der russisch-deutschen Beziehungen

Perfekte Feinde und beste Freunde: die Komplexität der russisch-deutschen Beziehungen

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Schwankend, unsichtbar und passiv sind einige der Qualifikationen, die diese Woche in internationalen Medien über Deutschland gelesen werden können. In der Ukraine-Krise wird Deutschland eine wichtige Rolle zugewiesen, aber der neue Kanzler Olaf Scholz erfüllt die Erwartungen noch nicht. In seiner Partei ist der Umgang mit Russland immer spaltbar.

Während viele Länder der Ukraine Waffen und Arbeitskräfte zugesagt haben, hat Deutschland 5.000 Helme nach Kiew geschickt. Das war nicht besonders begeistert. Vitali Klitschko, ehemaliger Boxweltmeister und Bürgermeister von Kiew, sagte, er sei „sprachlos“ über die Haltung der Bundesregierung. „Welche Art von Unterstützung wird Deutschland das nächste Mal senden, Sir?“Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba erklärt, dass Berlin Russland mit seiner schwankenden Haltung zur Aggression „ermutigt“.

Deutschland hat sich verpflichtet, keine Waffen in Konfliktgebiete zu liefern. Genau dafür haben sich die aktuellen Regierungsparteien SPD und Grüne immer eingesetzt.

Es ist immer schwierig für Deutschland, sich in Osteuropa zu manövrieren. Das Trauma des Zweiten Weltkriegs betrifft sowohl das Handeln der Deutschen als auch die Reaktion der Länder, die unter den Gräueltaten der Nazis gelitten haben. handeln oder nicht; es ist beides empfindlich. So erklärte der ukrainische Botschafter in Berlin kürzlich, Deutschland habe eine „historische Verantwortung“ gegenüber seinem Land und müsse Waffen liefern. Laut The Guardian ist es eine weit verbreitete Ansicht unter den Deutschen selbst, dass sie wegen des Leidens, das Nazi-Deutschland in diesem Land verursacht hat, mit Zurückhaltung gegenüber Russland handeln sollten.

Der außenpolitische Sprecher der SPD, Nils Schmid, hob einen weiteren Punkt hervor: „Man muss bedenken, dass Deutschland zusammen mit Frankreich im Normandie-Format die Vermittlerrolle zwischen Russland und der Ukraine hat. Wir können keine Waffen an die Parteien liefern, zwischen denen wir vermitteln.“Frankreich und Deutschland vermitteln seit der russischen Annexion der Krim in dem Konflikt. Diese Gespräche im sogenannten Normandie-Format wurden letzte Woche wieder aufgenommen.

Über historische und politische Überlegungen hinaus hat Deutschland auch viel engere wirtschaftliche Beziehungen zu Russland als der Rest Europas und auch als die USA. Sanktionen in jeder Form werden auch Deutschland selbst schaden. Typisch für die komplizierte Lage Deutschlands ist die Pipeline Nord Stream 2, das umstrittene Projekt, mit dem Gas aus Russland nach Deutschland gebracht werden soll.

Bundeskanzler Scholz hat wie seine Vorgängerin Merkel immer behauptet, dass Nord Stream 2 ein wirtschaftliches und kein geopolitisches Projekt ist und die Regierung nicht darüber entscheiden kann. Am 18. Januar gab er diese Position auf, als er ausdrücklich gefragt wurde, ob Nord Stream 2 Teil der Sanktionen sein könnte. Wenn Russland die Ukraine angreife, werde das einen hohen Preis haben und das alles müsse diskutiert werden, sagte Scholz. Seine Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte am selben Tag bei einem Besuch in Moskau deutlich entschiedener: Wenn Russland Energie als Waffe einsetzt, wird das Konsequenzen für die Pipeline haben. Auch wenn das wirtschaftliche Konsequenzen für Deutschland oder Europa selbst habe, sagte sie bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem amerikanischen Kollegen Blinken in Berlin.

Ministerin Baerbock von der Regierungspartei die Grünen hat sich in der aktuellen Krise oft stark geäußert. Auch die liberale Regierungspartei FDP ist für ein geeintes europäisches Vorgehen gegen Russland. Aber die größte Partei in der aktuellen Regierung, die SPD von Olaf Scholz, ist weniger fest. Am vergangenen Montag trafen sich prominente Persönlichkeiten aus der SPD, um eine eindeutige Position zu erarbeiten. Der Parteitag sagte, er sei sich einig, dass Russland der Aggressor sei, aber dass das Treffen überhaupt nötig sei, ist bezeichnend.

Bundeskanzler Scholz wird vorgeworfen, passiv und unsichtbar zu sein. Auf Twitter fragt man sich scherzhaft, wo Scholz eigentlich ist. Kritiker weisen darauf hin, dass es Angela Merkel war, die nach der Invasion der Krim den Weg für Sanktionen gegen Russland geebnet hat.

Scholz‘ Schweigen passt zu den Spaltungen in seiner Partei, wenn es um den Umgang mit Russland geht. Während die einen klar für Sanktionen gegen Russland sind, fordern die anderen, dass die eigenen Interessen weiterhin respektiert werden. Unter ihnen Manuela Schwesig; eine wichtige Stimme in der Partei und Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, dem Land, in dem die Nordstream-Pipeline an Land geht.

Dann gibt es die Sozialdemokraten, die glauben, dass es noch eine konstruktive Zusammenarbeit mit Russland geben kann. Das Erbe von SPD-Ikone Willy Brandt, der sich mit seiner berühmten ‚Neuen Ostpolitik‘ den Ländern hinter dem Eisernen Vorhang näherte, wirkt in der Partei weiter. Der Spiegel urteilt, die SPD sei „in Nostalgie verfangen“, wenn es um den Umgang mit Moskau gehe. Aus politischen, wirtschaftlichen, historischen und geografischen Gründen liegt Deutschland näher an Osteuropa als viele andere Länder. ‚Russlandversteher‘ ist überall.

Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) ist so ein ‘Russlandversteher‘ in optima forma. Unmittelbar nach dem Ende seiner Kanzlerschaft im Jahr 2005 trat er in den Dienst des russischen Gasriesen Gazprom. Schon vor Angela Merkels Amtsantritt als Nachfolgerin im selben Jahr waren für Gazprom und die umstrittene Pipeline alle Lichter auf Grün gestellt. 2017 erhielt er eine Spitzenposition beim russischen Ölkonzern Rosneft. Das Unternehmen steht seit der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 auf der Sanktionsliste der EU. SCHR ist mit Putin befreundet und lobbyiert fanatisch für russisches Gas und Moskaus Interessen.

Auch in der aktuellen Krise macht sich Schr Gehör. „Ich glaube nicht, dass die russische Seite ein Interesse daran hat, in der Ukraine zu intervenieren“, sagte der 77-jährige Altkanzler kürzlich in seinem eigenen Podcast. “Ich hoffe wirklich, dass die Waffen der Ukraine gestoppt werden.”

In den Beziehungen zu Russland ist Schröder weiterhin in die internen Beratungen der SPD eingebunden. Der Co-Parteivorsitzende der SPD Lars Klingbeil sei nach wie vor gut mit ihm befreundet, schreibt die TAZ. Er weigerte sich kürzlich im Spiegel, Schröder als Lobbyisten zu bezeichnen.

SPD-Politiker äußern sich in der Regel nicht allzu sehr zu Schröder. Deutsche Medien fragen sich laut, ob es nicht an der Zeit ist, dass sich die SPD ein für alle Mal vom Altkanzler distanziert. Ein Bundestagsabgeordneter der CDU schlug sogar vor, sein Amt im Bundestag – ein Privileg aller Altkanzler – wegzunehmen.

Scholz hat nächste Woche die Gelegenheit, die amerikanischen Zweifel an der deutschen Leistung auszuräumen. Am 7. Februar wird Scholz Präsident Biden in Washington besuchen, wo die Ukraine-Krise eines der Gesprächsthemen sein wird.


Der Autor: Julian Schulte

Student an der Fakultät für Philologie an der Universität Berlin. Beschreibt die Ereignisse in Ihrer Stadt und im ganzen Land.

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