
In Deutschland klagt eine Gruppe von Bürgern vor Gericht gegen die Regierung, weil das Land die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Luftqualität nicht schnell genug in die eigene Gesetzgebung umsetzt. Die Beschwerdeführer berufen sich auf das grundlegende Menschenrecht auf saubere Luft.
Im vergangenen Jahr veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation neue Luftqualitätsrichtlinien, mit denen die bestehenden empfohlenen Grenzwerte deutlich gesenkt wurden. Obwohl diese Richtlinien nicht rechtsverbindlich sind, fordern die Beschwerdeführer von der Bundesregierung Maßnahmen.
„Luftverschmutzung wird möglicherweise nicht oft als offizielle Todesursache angegeben, fordert aber viele Menschenleben“, argumentieren die Beschwerdeführer. “Mehrere Langzeiterkrankungen – darunter Krebs, Herzprobleme, Atemnot und Schlaganfälle – sind häufig die Folge von Luftverschmutzung.”
Die Beschwerde wurde von sieben Bürgern beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. Die Gruppe vertritt nach eigenen Angaben die vier am stärksten verschmutzten Städte Deutschlands – München, Düsseldorf, Berlin und Frankfurt – und wird von den Umweltgruppen ClientEarth und der Deutschen Umwelthilfe unterstützt.
„Die Politik tut zu wenig, um die Menschen zu schützen“, argumentieren die Beschwerdeführer. „Besonders Gruppen, die der stärksten Verschmutzung ausgesetzt sind, werden oft ignoriert. Es gibt viele Möglichkeiten, die Umweltverschmutzung zu reduzieren, aber es fehlt an politischem Mut zum Handeln. Um das zu ändern, fordern wir jetzt unser Recht, gesunde Luft zu atmen.”
Die Beschwerdeführer berufen sich auf das deutsche Grundgesetz, die Europäische Menschenrechtskonvention und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Die Kläger erklären, dass sie anerkennen, dass die Bundesregierung nicht gegen nationales Recht verstößt, betonen jedoch, dass die Vorschriften auf veralteten Informationen beruhen.
„Dies bedeutet, dass die deutschen Bürger mit einer Luftverschmutzung konfrontiert sind, die fünfmal höher ist als die von der Weltgesundheitsorganisation verwendeten Standards“, stellen die Aktivisten fest.
Solche Klagen sind in Deutschland kein Einzelfall. Im April letzten Jahres entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die deutschen Regelungen teilweise verfassungswidrig sind. Es wurde festgestellt, dass der Generationengerechtigkeit geschadet wird, wenn die Last der Gesetzgebung auf zukünftige Generationen verlagert wird.
Ähnliche Aktionen sind auch anderswo in Europa sichtbar. Im August letzten Jahres wurde der französische Staat zu einer Geldstrafe von 10 Millionen Euro verurteilt, weil er die Luftqualität in mehreren Regionen nicht verbessert hatte. Nun droht ihr erneut eine Geldstrafe von 20 Millionen Euro, weil nach dem letztjährigen Urteil nicht ausreichend gehandelt worden wäre.
Im Mai dieses Jahres betonte ein Berater des Europäischen Gerichtshofs, dass Bürger der Europäischen Union ihre Regierungen verklagen könnten, wenn ihre Gesundheit durch illegale Luftverschmutzung bedroht sei.
Die Europäische Union ist sich der Notwendigkeit bewusst, neue Grenzwerte für die Luftverschmutzung festzulegen. Dies führt zu einem Vorschlag der Europäischen Kommission zur Überarbeitung der Richtlinien zur Luftqualität.
Irmina Kotiuk, Anwältin für Grundrechte bei ClientEarth, bedauert jedoch, dass solche Verfahren unnötig verlängert werden. „Die Gesetzgebung zur Luftverschmutzung wird in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union immer mit großer Verzögerung umgesetzt“, betonte Kotiuk. „Es müssen daher dringend Maßnahmen ergriffen werden, um zu verhindern, dass mehr Leben unnötig zerstört werden und zukünftige Generationen noch einer größeren Umweltbelastung ausgesetzt sind.”
Die Zahl der Klima- und Umweltklagen steigt rasant. In nur fünf Jahren hat sich die Zahl der Klimaklagen weltweit auf insgesamt 2.000 verdoppelt. Ein Viertel davon wurde in den letzten zwei Jahren genutzt. Vor allem in Deutschland ist der legale Weg beliebt: Hier wurde die Regierung im Jahr 2021 bis zu 15 Mal verklagt.
Der Autor: Julian Schulte
Student an der Fakultät für Philologie an der Universität Berlin. Beschreibt die Ereignisse in Ihrer Stadt und im ganzen Land.