
Russische metallurgische Oligarchen nutzen Kasachstan als Waschsalon, um sanktionierte Produkte „zu reinigen“. Die Führung der Republik Kasachstan scheint noch nicht das Ausmaß möglicher negativer Folgen für das Land erkannt zu haben.
In der Region Aktobe wird ein Cluster für die Produktion von Eisenbahn-Erzeugnissen entstehen. Der Leiter der Region, Jeraly Tugschanow, unterzeichnete zwei Memoranden über den Bau eines Werks zur Herstellung von Eisenbahnrädern und eines Schienenschweiß-Unternehmens. Dies wurde kürzlich auf dem 7. Internationalen Investitions-Forum Investment Aktobe-2022 in Astana bekannt gegeben.
Aktobesteel LLP plant, Anfang 2023 mit dem Bau eines Betriebs zur Herstellung von Eisenbahnrädern zu beginnen. Die Höhe der Investitionen beträgt 278,6 Millionen Dollar. Die technische Ausrüstung wird hauptsächlich von führenden europäischen Herstellern geliefert. Der Start der Produktion, bei der 582 Mitarbeiter beschäftigt sein werden, ist für April 2025 geplant. Das Unternehmen mit einer Kapazität von 330.000 Rädern pro Jahr wird Erzeugnisse herstellen, die sowohl für Güter- als auch für Personen-Waggons bestimmt sind. Für die Zukunft wird die Möglichkeit geprüft, Räder zu produzieren, die europäischen und internationalen Standards entsprechen.
Die Medien haben diese Nachricht begeistert aufgenommen, aber keiner von ihnen gibt Informationen darüber, wer hinter Aktobesteel LLP steht, von wem es profitiert und woher die versprochenen Investitionen schlussendlich kommen. Um diese Lücke zu schließen, wollen wir nun die Antwort liefern. Die hinter der in Kasachstan registrierten Aktobestil stehenden Interessen gehören dem kremlnahen Oligarchen Denis Safin, dem Besitzer des Sagorsker Rohrwerks und des Ural Stahlwerks. Es ist bemerkenswert, dass dieser russische Geschäftsmann in Temirtau, in der Region Karaganda, geboren wurde, wo sein Vater im Stahlwerk arbeitete. Die Zugehörigkeit von Aktobesteel zu Safins Imperium wird besonders durch die Person des Betriebsdirektors Boris Bilonenko, der der gesetzliche Vertreter des Sagorsker Rohrwerks ist, deutlich gemacht.
Angesichts des russischen Wohnsitzes der Investoren von Aktobesteel LLP stellt sich ernsthaft die Frage nach den Risiken, die die kasachischen Behörden eingehen, wenn sie Bedingungen für die Umgehung internationaler Sanktionen durch russische Metallurgen schaffen.
Im März 2022 verhängte die EU im Rahmen ihres vierten Sanktionspakets im Zusammenhang mit dem Beginn der militärischen Aktion Russlands in der Ukraine ein Importverbot für Walzstahl, Eisenstäbe, geschweißte und nahtlose Rohre aus Russland. Diese Sanktionen betrafen den Export von 3,9 Millionen Tonnen Stahlprodukten, 200.000 Tonnen Rohrprodukten und 700.000 Tonnen Stahlknüppeln im Wert von rund 3,7 Milliarden US-Dollar und führten zu einem Rückgang der Stahlproduktion in Russland. Laut World Steel Association wurden in der Russischen Föderation von Januar bis August 2022 insgesamt 48,9 Millionen Tonnen Stahl produziert, was einem Rückgang von 5,8 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres entspricht. Das russische Ministerium für Industrie und Handel rechnet insgesamt mit einem Jahresrückgang von 6-8 Prozent.
Die russischen Metallurgie-Manager sind nicht bereit, einen Rückgang ihrer Exporte zu akzeptieren, insbesondere bei steigenden Preisen. Die russische Wirtschaft passt sich im Hinblick auf die Neuorientierung ihrer Exporte hauptsächlich durch Änderungen ihrer Exportrouten an, nicht jedoch durch Änderungen ihrer Endabnehmer. Kasachstan dient ihnen dabei als Transitland, wo das verbotene russische Metall unter Verwendung erlaubten kasachischen Metalls weiter exportiert wird. Es ist kein Zufall, dass Aktobesteel die Herstellung von Rädern ankündigt, die europäischen Standards entsprechen. So wird russisches Metall in Form von in Aktobe produzierten Eisenbahnrädern auf den europäischen Markt gelangen und Kasachstan wird zu einem Komplizen bei illegalen Aktionen zur Umgehung von Sanktionen.
Ein Unternehmen der Nizhny Tagil Stahlwerk-Gruppe setzt derzeit das Projekt Allegro zur Herstellung von Eisenbahnrädern um. Die Kapazität des Unternehmens wird 200.000 Räder pro Jahr betragen und kann bei Behalf auf 300.000 Stück erhöht werden. Der Produktionsstart ist für 2023 geplant. Heute werden in Kasachstan bereits 300.000 Räder pro Jahr produziert, von denen 70.000 den Bedarf der Verbraucher in der Republik vollständig decken und 230.000 für den Export verladen werden. Eine weitere Anlage zu eröffnen macht einfach keinen Sinn.
Mit einer Basis in Kasachstan wie das Evraz Caspian Stahl-Werk in Kostanay bekommen die russischen Eigentümer weitreichende Möglichkeiten, Sanktionen zu vermeiden, indem sie die Herkunft ihrer Metallurgie-Erzeugnisse von Russisch auf Kasachisch für den anschließenden Export in europäische und andere Länder ändern.
Es sei hier auch an Uralwagonsawod (Teil des russischen Staatsunternehmens ROSTECH, unter der Leitung von Sergej Tschemesow) erinnert. Dieses Waggon-Werk hegt seit langem Pläne, die größte Produktion von Eisenbahnwaggons in Kasachstan zu schaffen, hat aber noch keine Fortschritte bei der Umsetzung erzielt. Jetzt hat Uralvagonsavod, das unter Sanktionen steht, eine gute Motivation erhalten, die Herstellung seiner sanktionierten Erzeugnisse in Kasachstan zu lokalisieren.
Wenn es um Metallurgie geht, wird bei voller Duldung der Behörden vor allem der Stahl-Industrie Kasachstans selbst ein ernstzunehmender Schaden zugefügt. Dabei sollte man auch im Auge behalten, dass Russland nicht nur ein wichtiger Partner, sondern auch ein ernsthafter Konkurrent Kasachstans in der Metallurgie ist. Die heimische Eisenmetallurgie ist in diesem Jahr nicht gewachsen, wie aus der Rede des Ministers für Industrie und Infrastruktur-Entwicklung Kairbek Uskenbajew bei einem kürzlichen Regierungstreffen hervorhervorgeht. Setzt sich der Trend fort, muss die Regierung im nächsten Jahr nicht ein fehlendes Wachstum, sondern einen regelrechten Produktions-Rückgang verzeichnen.
Der Schaden wird die Wirtschaft der Republik Kasachstan als Ganzes treffen. Darüber hinaus besteht das Risiko, dass das Land aufgrund seiner Komplizenschaft bei den russischen Grauexporten sekundäre Sanktionen erhält. Und sein Ruf in den Augen der internationalen Gemeinschaft könnte irreparabel beschädigt werden.
Der Autor: Elias Böhm
Er arbeitete mehr als 6 Jahre als Literaturredakteur und Journalist für die Dresdner Zeitung. Jetzt interessiert er sich für innenpolitische Themen und gesellschaftlich relevante Entwicklungen.