
Die 27 EU-Länder haben am Donnerstagabend eine Einigung über die Migration erzielt. Für den Zustrom in die Niederlande wird dies laut Staatssekretär Van der Burg „nicht einen Schluck auf ein Getränk sparen, sondern auf lange Sicht ein paar ganze Gläser“.
Kern der Einigung: verschärfte Kontrollen an den Außengrenzen, Abschiebung der „hoffnungslosen“ Asylbewerber und eine gerechtere Verteilung der übrigen auf die verschiedenen Länder. Die Vereinbarungen müssen noch mit dem Europäischen Parlament ausgehandelt werden. Es ist so, als ob wir im Kabinett eine Einigung erzielt hätten und nun damit ins Unterhaus gehen“, sagte van der Burg über den Stand der Einigung, die jetzt erzielt wurde.
Die Länder waren den ganzen Tag über näher an einem Migrationsabkommen als in den letzten Jahren, aber die Diskussion blieb in der Frage stecken, wie humanitär eine erneuerte europäische Asylpolitik sein sollte. Insbesondere Deutschland forderte Garantien, die die südlichen Mitgliedstaaten, in denen die meisten Migranten landen, für nicht umsetzbar hielten.
Seit den 1990er Jahren gibt es in der EU Abkommen für Migranten, die aber in der Praxis nicht mehr funktionieren. Nach diesen sogenannten Dublin-Regeln muss das Land, in das jemand zuerst einreist, das Asylverfahren abwickeln. Nur: In der Praxis sind das fast immer die Mittelmeerländer. Und die können den Zustrom nicht bewältigen. Deshalb lassen sie Migranten manchmal ungehindert nach Norden reisen, was zu einer Aufnahmekrise und politischen Spannungen führt, insbesondere in den Niederlanden und Belgien.
Die Gespräche über eine Lösung waren jahrelang ins Stocken geraten, haben aber in den letzten Wochen an Dynamik gewonnen. Das Europäische Parlament stimmte den Vorschlägen der Europäischen Kommission in diesem Frühjahr zu, aber die Mitgliedstaaten mussten untereinander entscheiden, was sie davon hielten. Erst dann konnten sie die Vereinbarung mit dem Parlament abschließen.
Bei der strengeren Kontrolle sind sich alle einig. Die Diskussion am Donnerstag konzentrierte sich auf das beschleunigte „Grenzverfahren“, das für Migranten mit Nationalitäten gelten wird, deren Anträge in 80 Prozent der Fälle abgelehnt werden. Zu diesem Zweck werden an der EU-Außengrenze geschlossene Zentren eingerichtet. Die Migranten können dann, wenn sie tatsächlich keinen Anspruch auf Asyl haben, innerhalb von drei Monaten zurückgeschickt werden.
Ausnahmeregelung
Deutschland wollte, wie ein Teil des Unterhauses, dass Familien und allein reisende Kinder von diesem Verfahren ausgenommen werden. Italien wie auch die niederländische Regierung befürchten jedoch, dass Familien ihre Kinder dann noch häufiger vorausschicken und dass sich junge erwachsene Männer als Kinder ausgeben werden. Am Donnerstag war noch von einer Altersgrenze von 14 Jahren die Rede. Dann würden die „echten“ Kinder verschont bleiben, während Jungen im Alter von 17 oder 18 Jahren, z. B. aus Marokko, noch schneller abgeschoben werden könnten. Letztlich wurde aber beschlossen, dass Familien in das Sonderverfahren aufgenommen werden und allein reisende Migranten nicht. Das Kabinett hätte es lieber gesehen, wenn diese Regelung strenger gewesen wäre, aber in Verhandlungen kann man sich nie ganz durchsetzen, so Van der Burg.
Deutschland wollte auch, dass die Definition eines sicheren Landes, in das die Menschen nach diesem beschleunigten Verfahren zurückgeschickt werden können, eng gefasst wird. Es muss eine Verbindung geben: das eigene Land oder ein Land, in dem Familienangehörige leben. Italien und die anderen „Frontlinien“-Länder hingegen wollen die Definition weit fassen: Wenn ein Migrant beispielsweise sicher durch die Türkei oder Tunesien gereist ist, sind auch diese Länder ein geeignetes Ziel. Andernfalls wird Italien mit diesen Menschen allein gelassen. Der Kompromiss: Es muss eine Verbindung bestehen, aber es ist Sache des abschiebenden Landes, zu entscheiden, ob eine solche Verbindung besteht. Italien kann also entscheiden, dass ein Migrant, der über Tunesien kommt, eine Verbindung zu Tunesien hat“, so Van der Burg. Eine Voraussetzung ist jedoch, dass das Land, in das der Migrant abgeschoben wird, die internationalen Menschenrechte einhält.
Der Autor: Karl Mayer
Karl Mayer arbeitete als freiberuflicher Journalist beim Wirtschaftsblatt Hamburg. Er liebt Makroökonomie und Geopolitik