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Google wagt sich nach 13 Jahren wieder auf die Straßen des datenschutzorientierten Deutschlands

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Ab heute ist er zurück in Berlin: der spezielle Kamerawagen von Google Street View. Zum ersten Mal seit fünfzehn Jahren erstellt das Unternehmen wieder Bilder für seine digitalen Karten. Und das ist bemerkenswert, denn nachdem die Deutschen im Jahr 2010 massenhaft gegen die Verwendung von Street View protestiert hatten, beschloss Google, das Projekt dort einzustellen.

Im Jahr 2010 führte Google Street View in Europa ein, damals eine brandneue Anwendung. Seitdem können Benutzer bequem von ihrem Computer aus durch die Straßen von London, Amsterdam oder Paris spazieren. Doch wer jetzt einen solchen digitalen Spaziergang durch Deutschland unternimmt, macht dabei auch eine Zeitreise: Alle deutschen Aufnahmen stammen aus den Jahren 2008 und 2009, falls überhaupt Material von einem Ort verfügbar ist.

Die Tatsache, dass die Aufnahmen so alt sind, liegt an den Protesten im Jahr 2010, an denen Menschen teilnahmen, weil sie befürchteten, dass Google mit den Bildern ihre Privatsphäre verletzen würde. Bevor das digitale Tool in Deutschland eingeführt wurde, legten über 244.000 Deutsche Einspruch gegen die Verwendung von Bildmaterial von ihren Häusern ein. Das führte zu so viel zusätzlicher Arbeit, dass der Technologieriese beschloss, die Erfassung von Bildern im Land einzustellen.

Dadurch verwandelte sich Deutschland in Street View in eine Zeitmaschine, mit leeren Flächen, wo sich jetzt große Bahnhöfe befinden und Kinos, die Filme bewerben, die längst vergessen sind. Nun geht Google also erneut mit der Kamera durch die deutschen Straßen. Das Unternehmen spricht von einem „langersehnten Update“ eines „beliebten Werkzeugs“, das viele Menschen verwenden, um sich vorab ein Bild von einer neuen Nachbarschaft zu machen oder um zu sehen, ob ein Gebäude rollstuhlgerecht ist.

Die Datenerfassung ist in einem Land heikel, das die Geschichte zweier totalitärer Regime in sich trägt. Sowohl das nationalsozialistische Deutschland als auch die DDR hatten Geheimdienste, die die Bürger genau überwachten. Das sagt auch Philip Hacker, Professor für Recht und Ethik der digitalen Gesellschaft an der European New School of Digital Studies: „Die Vergangenheit ist im öffentlichen Bewusstsein stark präsent. Es wird immer noch viel darüber in Schulen, Büchern und Filmen gesprochen.“

Gleichzeitig führte dies laut Hacker dazu, dass Deutschland zu einem Vorreiter im Bereich des Datenschutzrechts wurde. Bereits 1970 führte das westdeutsche Bundesland Hessen das weltweit erste Datenschutzgesetz ein. „Dadurch entstand in Deutschland eine sehr starke und aktive Gemeinschaft von Datenschutzaktivisten, die immer wichtig geblieben ist“, so Hacker.

Viele Deutsche waren daher nicht begeistert, als Google ankündigte, Häuser, Straßennamen, Kennzeichen und Gesichter mit einer Kamera erfasst zu haben. Als im Mai 2010 bekannt wurde, dass die Google-Autos über drahtlose Netzwerke auch persönliche Daten von Anwohnern aufgefangen und gespeichert hatten, wuchs das Misstrauen nur noch weiter.

Street View-Autos wurden während der Fahrt angegriffen, und Aktivistengruppen wie Free Art and Technology (F.A.T.) versuchten, so viele Aufnahmen wie möglich unbrauchbar zu machen, zum Beispiel indem sie schnell ihre Hosen herunterzogen, wenn das Auto vorbeifuhr.


Der Autor: Julian Schulte

Student an der Fakultät für Philologie an der Universität Berlin. Beschreibt die Ereignisse in Ihrer Stadt und im ganzen Land.

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