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Deutschland schlafwandelt in die nächste strukturelle Krise

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Während die Inflation in den meisten europäischen Ländern endlich zu sinken scheint, nimmt sie in Deutschland genau die entgegengesetzte Richtung ein. Bei unseren östlichen Nachbarn lag die Inflationsrate im Juni um ganze 6,4 Prozent höher als im Vorjahr und 0,3 Prozent höher als im Vormonat.

And das liegt alles an der Auswirkung der Wirtschaftshilfspakete in Deutschland, erklärt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt von ING Deutschland. „Im vergangenen Jahr führte Deutschland ein Haushaltspaket ein. Dies umfasste unter anderem günstigen öffentlichen Nahverkehr im ganzen Land (9 Euro für einen Tag Reisen, Anm.) und eine Senkung der Verbrauchssteuer“, erläutert er. „Das dauerte drei Monate. Wenn man es also mit diesem Sommer vergleicht – in dem es also kein solches Paket gab – steigt die Inflation automatisch deutlich an.“

‚Deutschland wird ab September möglicherweise dem europäischen Trend folgen‘

Brzeski erwartet, dass die im Vergleich zum Vorjahr hohe Inflation bis mindestens August anhalten wird, woraufhin Deutschland ab September möglicherweise dem europäischen Trend folgen wird. ‚Dann wird die Inflation wieder deutlich sinken.‘

Die Prognose besagt, dass die deutsche Inflation bis Ende 2023 wieder bei etwa drei Prozent liegen wird. Daher wäre Deutschland auch nicht an weiteren Zinserhöhungen durch die EZB interessiert, meint Brzeski. ‚Die deutsche Wirtschaft befindet sich derzeit bereits in einer Rezession‘, sagt er. ‚Und das zweite Quartal scheint auch nicht viel besser zu sein. Daher wird es wahrscheinlich das ganze Jahr über einen wirtschaftlichen Rückgang geben.‘

Er betont jedoch, dass die EZB nicht nur auf Deutschland schaut oder darauf, was ING-Ökonomen in Bezug auf die Inflation prognostizieren. ‚Die EZB schaut vor allem auf die aktuelle Inflation‘, fährt er fort. ‚Das ist im Prinzip nicht gut, aber die EZB tut dies, weil sie in den letzten Monaten mit ihren Inflationsprognosen immer danebenlag.‘
Maßstab

Daher betrachtet die EZB das aktuelle Prozent als Maßstab, glaubt Brzeski, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass nicht nur Deutschland, sondern die gesamte europäische Wirtschaft in eine Rezession gerät.

Industrieführer in Deutschland haben bereits mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz darüber gesprochen und mit einem Abzug aus Deutschland gedroht, falls sich nichts bald ändern würde. Konkrete Veränderungen blieben jedoch aus. Brzeski: ‚Sie schlafwandeln eigentlich in die nächste strukturelle Krise. Es liegt ein Vorschlag auf dem Tisch, der eine Preiskontrolle für die Industrie vorsieht, damit Unternehmen möglicherweise in Deutschland bleiben. Aber letztendlich sieht man, dass die aktuelle Koalition permanent unter Spannung steht, und das erklärt, warum es zu wenig Bewegung gibt und warum sich die wirtschaftliche Situation in den kommenden Monaten nicht verbessern wird.‘


Der Autor: Karl Mayer

Karl Mayer arbeitete als freiberuflicher Journalist beim Wirtschaftsblatt Hamburg. Er liebt Makroökonomie und Geopolitik

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